Zuschauerhaftung bei Einsatz von Pyrotechnik
Liebe Unioner,
kaum ein Thema wird im Fußball kontroverser beurteilt als das Thema Pyrotechnik. Nach wie vor ist das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen in Fußballstadien strikt verboten, der vor Jahren begonnene Dialog zwischen Fans und Funktionären scheint festzustecken. Nicht nur bei den Sportgerichten des DFB, die regelmäßig Strafen für Fehlverhalten der Fans gegenüber den Vereinen aussprechen, ist Pyrotechnik im wahrsten Sinne des Wortes ein „Dauerbrenner“.
Zunehmend verlagern sich entsprechende Sachverhalte aber auch auf die Richterbänke der ordentlichen Gerichte, zumeist wenn durch den Einsatz pyrotechnischer Gegenstände Straftaten (z.B. versuchte gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz) begangen werden. Doch auch die Zivilgerichte haben ab und an nicht unwichtige Grundsatzfragen in Bezug auf Pyrotechnik in Fußballstadien zu klären. Über eine solche musste kürzlich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Der BGH stellt nunmehr grundsätzlich klar, dass Fans, die während eines Fußballspiels pyrotechnische Gegenstände zünden, für den dem Verein daraus entstehenden Vermögensschaden grundsätzlich schadensersatzpflichtig sind. Als Folge daraus sind die Vereine befugt, fortan auch die entsprechend vom DFB verhängten Verbandsstrafen an die identifizierten Täter weiterzureichen.
Grundlage der Entscheidung war ein Vorfall aus dem Jahr 2014, als ein Zuschauer des 1. FC Köln beim Spiel gegen Paderborn einen Knallkörper zündete und vom Oberrang auf den Unterrang warf. Dort detonierte der Knallkörper und verletzte sieben Zuschauer. Was folgte, war eine nicht unerhebliche Verbandsstrafe für den 1. FC Köln seitens des DFB, die ersterer nunmehr an den in der Zwischenzeit identifizierten Zuschauer weiterreichte.
Nachdem die ersten beiden Instanzen sich noch uneinig waren, ob die Verhängung einer Verbandsstrafe ein direkter, unmittelbar vom Fan verursachter Schaden des Vereins ist (sog. „haftungsbegründende Kausalität“ zwischen Handlung und Rechtsfolge Schadensersatz), entschied der BGH hier zugunsten der Vereine, da ein solcher Zusammenhang nach seiner Ansicht unweigerlich vorliegt. Im Ergebnis stelle das Werfen eines Knallkörpers eine Pflichtverletzung aus dem zwischen dem Verein und dem Fan geschlossenen Zuschauervertrag dar, der weitreichende Folgen haben kann. Es treffe nämlich jeden Zuschauer die Verhaltenspflicht, die Durchführung eines Fußballspiels nicht zu stören – in welcher Weise auch immer. Verstößt ein Fan hiergegen, indem er bspw. einen Knallkörper zündet, müsse er für daraus entstehende Schäden einstehen. Und zu solchen zählen eben auch die vom DFB verhängten Strafen.
Weitere Diskussionen wird es allerdings noch darüber geben, in welcher Höhe diese Strafen weitergegeben werden können. Das ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Vereine oft für mehrere Vorfälle zu einer Gesamtstrafe verurteilt werden und man dann natürlich einen Umlegungsmaßstab finden muss, wenn der identifizierte Täter nur bei einer der bestraften „Pyroaktionen“ beteiligt war.
Sofern nun einige denken, dass der hier vom BGH entschiedene Fall nicht den Normalfall des Verwendens pyrotechnischer Gegenstände in Stadien darstellt, der mag in dieser Meinung zwar durchaus richtig liegen, an der rechtlichen Einschätzung ändert das aber nichts. Denn auch wenn der BGH hier nur einen Fall entschieden hat, in dem ein Knallkörper gezündet wurde und die weit überwiegenden Fälle das Abbrennen von bengalischen Feuern betreffen, so kann diese Entscheidung auch auf diese Fälle ohne weiteres übertragen werden. Die Vereine haben in ihren Stadionordnungen ohnehin Regelungen getroffen, die den Einsatz sämtlicher pyrotechnischer Gegenstände – gleich welcher Art – in ihrem Verantwortungsbereich untersagen. Wer hiergegen verstößt, begeht eine Pflichtverletzung aus dem geschlossenen Zuschauervertrag, egal, ob nun ein Bengalo, ein Blinker oder ein reiner Knallkörper gezündet wird, ist für die nunmehr höchstrichterlich entschiedene, generelle Verantwortlichkeit des handelnden Fans nicht entscheidend.
Eisern Union!
Rechtsanwalt Dirk Gräning